
Grafiken und Zahlen von Storyclash.com.
Die Flüchtlingssituation stellte in den letzten Monaten viele Journalisten vor neue Herausforderungen. Wie berichtet man über Menschen auf der Flucht? Man kann nicht über alles berichten, das ist klar—aber welche Informationen sind die, die berichtenswert sind?
Ist es die Aufgabe der Medien, den Menschen ihre Ängste zu nehmen und so objektiv wie möglich über Fakten zu berichten? Und wenn sich die Aufgabe der Medien auf das reine Vermitteln von Tatsachen bezieht, wer übernimmt dann die Aufklärung? Und über welche Fakten berichtet man überhaupt und über welche nicht? Auch in dieser Selektion, die man ohne Frage vornehmen muss, zeigt sich ja eine Subjektivität.
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Diese Fragen stellt sich jede Redaktion vor allem in Zeiten von Flüchtlingskrise und Falschinformationsschwemme ständig aufs Neue.ORF-Chefredakteur Fritz Dittlbacher sagte gegenüber der APA vergangenen Oktober: „Wir versuchen die Balance zwischen ,Zeigen, was ist’ und ,Darauf hinweisen, was nicht ist’ zu halten”.
Rainer Nowak, Chefredakteur der Presse, erklärte dazu: „Weder ist es unsere Aufgabe, die Welt zu verbessern, noch, nur das zu schreiben, was die Mehrheit der Bevölkerung gerade denkt. Das ist Sache der Boulevardzeitung.”
Hubert Patterer, von der Kleinen Zeitungwiederum meinte, er „spüre ein großes, tiefes Misstrauen vieler Bürger dem Establishment gegenüber, und die Medien müssen aufpassen, dass sich dieses Misstrauen nicht auch auf sie überträgt”.
Dieses Misstrauen konnte man im vergangenen Jahr auf rechten Kundgebungen genauso spüren wie auf Facebook: Journalisten wurden als Lügner diffamiert, die Medien insgesamt als „Lügenpresse”, der man nichts mehr glauben dürfe (während man ohne Bedenken auf unbestätigte Quellen, Gerüchte und Blogs verwies). Gleichzeitig wurden immer wieder Fotos und Berichte in Umlauf gebracht, die falsche Tatsachen über Menschen auf der Flucht verbreiteten.
Die Macher des Echtzeit-Monitoring-Tools Storyclash haben nun analysiert, wie sich die Stimmung der Österreicher in den sozialen Netzwerken zum Thema Flüchtlinge in den letzten Monaten verändert hat. Im Zeitraum von Juni 2015 bis Januar 2016 haben sie die Top 50 Artikel mit den meisten Shares in „pro”, „contra” und „neutral” gegenüber dem Thema Flüchtlinge aufgeteilt.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Im August kamen noch 65 Prozent der Shares von Artikeln, die positiv über die Thematik berichteten, während 35 Prozent der Shares von negativer Berichterstattung stammten. Im Januar hat sich die Stimmung bereits stark verändert: 94 Prozent der Shares waren im Vormonat contra Flüchtlinge und nur noch 6 Prozent pro.
Ein Beispiel für negative Berichterstattung ist zum Beispiel ein Artikel von unzensuriert.at aus dem vergangenen Dezember. Die Überschrift lautet: „10-jähriger Bub in Wiener Schwimmbad von Iraker vergewaltigt.” Ein Beispiel für positive Berichterstattung wäre, aus demselben Monat, der Beitrag mit dem Titel: „Halal-Fleisch gehört in einen Supermarkt”, der im Standard erschienen ist.
Die Zahlen zeigen, dass negative Berichterstattung über Flüchtlinge in Österreich online immer mehr Verbreitung findet. Unter den meist geteilten Artikeln gegen Flüchtlinge finden sich fast ausschließlich die Boulevardmedien Heute, Krone und Österreich sowie der FPÖ-nahe Blog Unzensuriert.
Die meist geteilten positiven Artikel setzen sich aus etwas vielfältigeren Quellen zusammen. Sowohl im Standard, als auch in Kurier, Presse, Kleine Zeitung undÖsterreich sowie auf NZZ.at, VICE und orf.at gab es Beiträge mit wohlwollender oder nicht-asylgegnerischer Ausrichtung.
Aber die Meinung in den sozialen Medien scheint immer mehr zu kippen. Nachrichten über Gewalttaten durch und Bevorteilungen von Flüchtlingen werden oft unhinterfragt geteilt, weil sie ein bereits vorherrschendes Bild bestätigen. Daran ändert anscheinend auch nichts, dass sich viele der vorschnell geteilten Artikel auch in der Vergangenheit als Falschmeldungen erwiesen haben, wie zuletzt die Nachricht von 300 Flüchtlingen, die in Deutschland angeblich zwei Mädchen verfolgt hatten (in Wahrheiten war die Geschichte frei erfunden, wie die FAZ berichtete).
Auch jener Artikel, der Platz 6 der meistgeteilten Artikel mit negativem Inhalt belegt, ist längst als Fälschung enttarnt. Dabei handelt es sich um den Beitrag mit der Überschrift: „Rewe spendet Geld für Flüchtlinge und streicht Mitarbeitern Weihnachtsfeier” von unzensuriert.at. Billa hat die Behauptung bereits mehrfach dementiert.
Hanna auf Twitter: @HHumorlos.
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