Die Reaktionen der FPÖ auf die Flüchtlingssituation – in vier Phasen

Österreich war in den letzten zwei Wochen von so vielen dramatischen und global relevanten Meldungen betroffen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die heimischen Parteien, die sich mitten im Wahlkampf befinden, wurden von der Intensität der Flüchtlingsthematik, die man nun endgültig am eigenen Leib spürt, sichtlich überrumpelt. Am zurückhaltendsten, passivsten und vermutlich ratlosesten reagierte dabei die FPÖ und das, obwohl sich die Partei das Thema Migration stets auf die Fahnen schrieb.

Wir haben uns deshalb angesehen, wie die FPÖ die Geschehnisse vor allem in sozialen Netzwerken kommentiert hat und versucht, diese Reaktionen einzuordnen. Dabei konnte man gewissermaßen vier Phasen ausmachen, die, auch wenn es absurd klingen mag, mit den berühmten vier Phasen der Trauer zumindest von Prinzip und Ablauf her erstaunlich viel gemeinsam haben.

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Nicht dass die Partei in den letzten Wochen wortwörtlich trauerte—aber vielleicht ist es die allgemeine Erkenntnis, dass der bisherige Umgang innerhalb der EU hinsichtlich Flüchtlingen und der Dublin-Verordnung wohl gestorben ist und dieser Verlust jetzt erst mal verarbeitet werden muss.

1. Das Nicht-Wahrhaben-Wollen

Foto: Screenshot via Youtube

Schon bei der Tragödie der 71 Toten auf der A4 war zu bemerken, dass es nicht unbedingt Priorität hat, sich rasch und vor allem ausführlich zum aktuellen Thema zu äußern. In einer Aussendung zeigte man sich „entsetzt über die furchtbare Flüchtlingstragödie”, konzentrierte sich aber in erster Linie auf das Thema Schlepperei und Grenzkontrollen. „Wenn dieses Fahrzeug schon an der Grenze entdeckt worden wäre, könnten die Menschen noch leben”, heißt es da—auch wenn mittlerweile klar ist, dass die Menschen viel früher gestorben sind.

Vor allem der Umstand, dass es sich bei den Opfern in der Mehrzahl um Menschen aus Syrien handelte, machte es der FPÖ gewissermaßen schwer. Die Partei hat immer von der überwiegenden Mehrheit von Wirtschaftsflüchtlingen gesprochen beziehungsweise war es in der Parteilinie nie vorgesehen, wie Personen aus Syrien auf legalem Weg zu uns kommen können.

Auf Facebook herrschte bei Strache deshalb in erster Linie Wahlkampf-Business as usual. Es wurden Bilder von ausgelassenen Wahlkampfveranstaltungen in Wels oder die aufwendige Inszenierung am Großglockner gezeigt, aus denen man in der Woche darauf das pathetische Wahlkampfvideo zimmerte.

Auch die Ereignisse ab Montag, dem 31. August—die Massendemonstration in Wien und die Ankunft einiger Tausend Flüchtlinge am Westbahnhof—schienen die Partei zu überfordern, man entschied sich, zu schweigen. Am Dienstag war es für Strache wichtiger, den Übertritt von Ursula Stenzen mit halbstündlichen Postings zu vermarkten.

2. Aufkommende Emotionen

Erst Dienstagabend, während die Geschehnisse rund um den Wiener Westbahnhof längst das bestimmende Thema in der Öffentlichkeit waren, gab es von Strache ein Posting zur Flüchtlingssituation. Es ging dabei aber weder um die konkrete Lage und Versorgung am Westbahnhof, noch um die prekäre Situation in Ungarn, sondern schlichtweg um Schlepperzahlen, Kritik an der Regierung und die altbekannte Frage: „Wo sind hier eigentlich die vielen Frauen und Kinder, von denen immer in der veröffentlichten Meinung berichtet wird?”

Am Freitag hat sich die Situation an der Grenze zu Ungarn bekanntlich noch einmal zugespitzt. Tausende Flüchtlinge machten sich zu Fuß von Ungarn Richtung Österreich auf. Der daraus folgende Umgang der österreichischen Behörden, NGOs und der Zivilgeselschaft über das gesamte Wochenende hinweg, wurde international vielfach beachtet und gelobt.

Für Susanne Winter von der FPÖ kam das alles aber nur einer einzigen Apokalypse gleich. In einem ziemlich wirren Posting spricht sie über die Flüchtlinge als „Schwarze Wolken über Österreich und über Europa” und fügt abschließend hinzu „GOTT SCHÜTZE ÖSTERREICH……bitte.”

Während dieser seltsame Pathos an die inzwischen praktisch untergegangene Tea Party erinnert, brachten die Flüchtlinge für FPÖ-Nationalrat und Verkehrssprecher Gernot Deimek vor allem ein praktisches Ärgernis mit sich. Auf Twitter schimpfte er über die chaotischen Zustände in der ÖBB und darüber, dass er seinen reservierten Sitzplatz nicht einnehmen konnte, weil dort jemand saß, der „nicht bezahlt hatte”.

Sogar Michael Jeannée fand in seiner letzten Kolumne so was wie lobende Worte für die freiwilligen Helfer und Organisationen an den Bahnhöfen (auch, wenn es wohl nur ein populistisches Lippenbekenntnis war über Menschen, die er sonst als bolschewistische Gutmenschen bezeichnet). Von der FPÖ selbst kam zu den ziviligesellschaftlichen Aktivitäten in der österreichischen Bevölkerung bis heute kein einziges Wort.

3. Erklärungsversuche finden

Im Laufe der vergangenen Woche kam man auf Straches Facebook-Page—dem inoffiziellen Parteiorgan nach außen—auf die Idee, sich in der Flüchtlingsthematik zu möglichen Erklärungen beziehungsweise in einem breiteren globalen Kontext zu äußern. Wir wissen, wie das bei der FPÖ dann in der Praxis aussieht: Man bedient sich abstruser, „geostrategischer” Verschwörungstheorien.

Wenn es darum geht, den Nahen Osten zu erklären und darum, wer für die Flüchtlingssituation wirklich verantwortlich ist, hält man es mit Wladimir Putin.

Zwei Tage später verpackte man dann in einem Posting gleich die NATO, die Ukraine und TTIP zusammen. Auch wenn für diese Analyse keine Quelle angefügt wurde, kann man davon ausgehen, dass die Infos von Seiten wie kopp-verlag.de, deutsche-wirtschafts-nachrichten.de oder netzwelt.net stammen—zumindest hätten diese es nicht besser (und wahrscheinlich nicht sehr viel anders) formuliert.

4. „Neuer” Selbst- und Weltbezug

Nach anfänglichem Zögern, erkennbarer Ratlosigkeit und ziemlich unbeholfenen Meldungen scheint man bei der Partei nun zu einer Linie gefunden zu haben und die fällt—eigentlich wenig verwunderlich—eh so aus wie zuvor. Der einzige wirkliche Unterschied ist, dass dasselbe wie zuvor angesichts der dramatischen Ereignisse wohl noch ein Stück geschmackloser wirkt als üblich.

Vermehrt wird wieder die Angst geschürt, dass sich Terroristen der Terrormiliz ISunter die Flüchtlinge mischen würden, obwohl für Österreich noch kein einziger solcher Verdachtsfall gilt.

Man hat auch die altbekannten Ressentiments wieder aufgenommen—Flüchtlinge verwüsten laut FPÖ nämlich nicht nur die Zelte unserer Flüchtlingslager, sondern auch unsere österreichischen Züge:

Bemerkenswert ist auch die Anbiederung an die Regierung Orbán, bei der sich Herbert Kickl in einer OTS-Aussendung für das Fehlverhalten der österreichischen Regierung entschuldigt hat. In Sachen Sicherheits- und Asylpolitik scheint die FPÖ jedenfalls auf einer Linie mit den ungarischen Behörden zu sein, die weiterhin davon ausgehen, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge kein Asylrecht hier hat.

Oder man postet Meldungen wie diese, die kommentarlos als Zuspruch verstanden werden können:

Fazit:

Die globalen Ereignisse rund um Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisengebieten haben in den vergangenen Wochen mit voller Wucht erstmals auch Österreich erreicht. Und sie haben Regierung und Parteien überrumpelt, die sich mitten in Wahlkämpfen befinden. Am sichtlich schwierigsten tat sich dabei die FPÖ.

Ihr großer Pluspunkt bis zur Krise war, dass sich die Freiheitliche Partei als populistische Kritiker positionieren konnte, ohne sich jemals mit den direkten Auswirkungen der realen Entwicklungen auseinandersetzen zu müssen. Reines Gerede war vor allem deshalb möglich, weil es nie wirklich problematische Zustände gegeben hat, von denen Österreich direkt betroffen gewesen wäre.

Auf die jüngsten Ereignisse reagierte man deshalb zunächst passiv, bis man einen Weg gefunden hatte, die zugespitzte Flüchtlingsthematik auch passend in den herrschenden Wahlkampf zu integrieren. Dass man sich dabei in erster Linie auch an Ungarn orientiert, lässt hoffen, dass die Partei zumindest vorerst nicht in die Lage kommt, das Thema auch praktisch in die Hand nehmen zu können.