Was die FPÖ bei ihren Manipulationsvorwürfen verschweigt

Foto: Screenshot aus der Pressekonferenz zum VfGh-Urteil

Es war vielleicht ein bisschen naiv zu glauben, dass mit einem definitiven VfGh-Urteil die Diskussionen rund um die Bundespräsidentenstichwahl abkühlen würden. Während es für das Van-der-Bellen-Lager weiterhin klar erwiesen ist, dass Manipulationen nicht zur Aufhebung geführt haben und auch Bundeskanzler Kern ausschließlich “Formfehler” für die Entscheidung verantwortlich machte, bringt die FPÖ-Spitze seit vergangener Woche das Thema Wahlmanipulation wieder verstärkt ins Spiel.

Präsident Holzinger erklärte in seinem Urteil zwar sehr wohl, dass durch die Verfahrensfehler bei der Briefwahl-Auszählung theoretisch der Raum für Manipulation bestanden habe. Allein aufgrund dieser theoretischen Möglichkeit musste er die Wahl für nichtig erklären. Holzinger betonte aber auch, dass sämtliche Zeugen (inklusive der FPÖ-Beisitzer) selbst keine Hinweise für eine Manipulation feststellen konnten—und das wohlgemerkt in jenen Bezirken, in denen wegen den eklatantesten Verfahrensfehlern untersucht werden musste.

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Norbert Hofer hat nun seinerseits am Wochenende auf Ö1 angekündigt, dass er bereits Anzeigen wegen Wahlbetrugs vorbereiten würde; dabei gehe es um Ungereimtheiten mit angeblich nicht angeforderten Wahlkarten in Pflegeheimen. Er tat das, ohne weiter ins Detail zu gehen. Wie der Standard nun berichtet, wehren sich Pflegevertreter aber vehement gegen die Vorwürfe und relativieren die Anschuldigungen.

Was wiederum in den vergangenen Tagen von Parteichef Strache über seine Facebook-Seite zu hören war, geht ebenfalls in Richtung Verschwörungstheorie.

Gleich mehrmals macht Strache in seinen Postings “rot-schwarze Wahlleiter” für mögliche Manipulationen verantwortlich. Der konkrete Gedankengang für seine 380.000 Follower: “125.000 Briefwahlkarten wurden von rot-schwarzen Bezirksbehördenleitern bereits am Sonntag Abend unbefugt und gesetzwidrig geöffnet (…) In dieser Zeit hätten die Bezirksbehördenwahlleiter alleine oder auch mit anderen unbefugten Personen Zeit und Raum für relevante Manipulation gehabt.”

Der Parteichef schreckt also nicht davor zurück, auch bei so einem heiklen Thema wie der Rechtmäßigkeit von Wahlen, eine mögliche Verschwörung des Systems gegen die FPÖ zu suggerieren, ohne dabei konkret zu werden. Vielmehr noch: wohl ganz bewusst werden Aspekte verschwiegen, die auch klar FPÖ-Leuten eine Mitschuld an den Schlampereien bei der Auszählung nachweisen.

Strache macht “rot-schwarze” Wahlleiter für mögliche Manipulationen verantwortlich und erwähnt nicht, dass auch gegen Freiheitliche ermittelt wird

Was Strache etwa nicht erwähnt, ist, dass zumindest zwei von den vierzehn betroffenen Bezirkswahlleitern selbst aus dem freiheitlichen Umfeld kommen—nämlich die Beamten aus Hermagor und Wolfsberg. Gerade in ihren Bezirken wurden schon besonders früh Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft eingeleitet.

Außerdem seien laut Profil auch Ermittlungen wegen falscher Beurkundung gegen Wahlbeisitzer der FPÖ im Gange. Dazu kommen weitere, beispielhafte Szenen, die sich aus den Zeugenbefragungen beim VfGh ergaben: Im betroffenen Bezirk Kufstein zum Beispiel verteidigte gerade der FPÖ-Wahlbeisitzer das Vorgehen des ÖVP-nahen Bezirkswahlleiters. Und in Graz-Umgebung kamen die freiheitlichen Beisitzer einer ausdrücklichen Aufforderung des Wahlleiters, der Irmgard Griss unterstützte, nicht nach, der sie bat, am Montag zu erscheinen.

Die Fehler bei der Briefwahl-Auszählung sind also weder ohne die Beteiligung von FPÖ-Leuten passiert, noch waren sie eine breite Verschwörung ausschließlich “rot-schwarzer Beamter”, die “dem Beamtendienstrecht unterstellt sind”, was Strache als Information für seine Follower für relevant hält.

Ein bisschen sollte bei den Anschuldigungen wohl auch der Hausverstand bemüht werden: Wie realistisch ist es, dass in den Ämtern von vornehmlich strukturkonservativen Bezirken die Stimmen von Beamten systematisch gerade zugunsten des Grünen Van der Bellen umgemünzt wurden?

Wenn es in Österreich in der Vergangenheit zu strafrechtlichen Verurteilungen wegen Wahlbetrugs kam, spielte sich das auch zumeist auf lokaler Ebene ab. Denn bei Bürgermeister- oder Gemeinderatswahlen ist einerseits Betrug einfacher und andererseits jede einzelne Stimme potenziell wahlentscheidend. 2010 betraf das zum Beispiel einen ÖVP-Bürgermeister im Burgenland; und 2015 einen FPÖ-Spitzenkandidaten, der wegen “Fälschung bei einer Wahl” verurteilt wurde.

Thomas bei Twitter: @t_moonshine